
In Hamburg beweisen Senioren, dass gute Laune und Bewegung keine Frage des Alters sind. Bei der monatlichen Veranstaltung „Faltenrock“ wird die Disco neu gedacht. Wer hier mitwippt, schwitzt und lacht, hat nicht nur Spaß, sondern tut auch etwas für Körper und Geist.
Studien bestätigen den Effekt. Doch „Faltenrock“ bietet mehr als Gesundheitsvorsorge – es ist eine neue Art, Freundschaft, Freiheit und Lebensfreude im Alter zu feiern. Und das mit einem Soundtrack, der nicht nur die Hüften, sondern auch Herzen bewegt.
1. Faltenrock: Ein Abend, der überrascht

Zwischen alten Backsteinmauern, lauter Musik und kreisenden Händen spielt sich in Hamburg ein ganz besonderes Spektakel ab. Wer hier zum ersten Mal dabei ist, merkt schnell: Dieser Abend hat nichts mit verstaubten Vorstellungen von Tanzveranstaltungen zu tun. Es riecht nach Neugier, Energie und einer Art Aufbruch, die man so nicht erwartet.
Was hinter dem ungewöhnlichen Namen „Faltenrock“ steckt, wird den meisten erst klar, wenn sie mittendrin stehen. Die Veranstaltung hat sich im Gängeviertel inzwischen zu einem echten Geheimtipp entwickelt – für eine Zielgruppe, die man dort so gar nicht erwartet.
2. Locker, laut, lässig

Schon kurz nach Einlass wird klar: Hier geht es nicht um steife Tanzhaltung oder Etikette. Die Menschen tanzen so, wie es ihnen gefällt – mal wild, mal zögerlich, mal in Gedanken versunken. Jede Bewegung scheint zu sagen: Ich bin hier, weil ich es will – nicht weil ich muss.
Es ist diese besondere Freiheit, die „Faltenrock“ auszeichnet. Zwischen bunten Klamotten und ausgelassener Stimmung verliert man schnell das Zeitgefühl. Gespräche sind kaum möglich, denn die Musik übertönt alles – und das ist ganz bewusst so.
3. Das Gängeviertel wird zur Tanzzone

Was früher einmal als Szene-Treffpunkt für die Jugend galt, ist nun fest in Seniorenhänden: Die „Fabrique“ im Hamburger Gängeviertel verwandelt sich regelmäßig in eine tanzende Oase ab 60. Rund einhundert Gäste kommen jeden letzten Sonntag im Monat zusammen – nicht etwa zum Sitzen, sondern zum Tanzen. Die Disco beginnt bereits um 18 Uhr, denn die Nachteulen von früher schätzen heute die frühe Abendstunde.
Die Musik ist laut, die Bewegungen frei – Interviews sind kaum möglich, weil jeder lieber tanzen möchte. Der Name „Faltenrock“ ist dabei nicht nur eine Anspielung auf Kleidung, sondern ein ironischer Verweis auf das Alter – mit Augenzwinkern.
4. Hier zählt nicht das Alter, sondern der Rhythmus

Tanzen ohne Regeln, ohne Druck, ohne Altersgrenzen – das ist das Prinzip. Edelgard, eine ehemalige Turniertänzerin, ist zuerst noch skeptisch. Für sie waren Schritte und Haltung früher das A und O. Doch in der neuen Atmosphäre spürt sie, dass es auch anders geht. Jeder tanzt, wie er will – ob alleine, im Paar oder in Gruppen.
Olli, der sie „mitgeschleppt“ hat, genießt die Freiheit, nie einen Kurs gemacht zu haben. „Alter ist scheißegal“, sagt er – und meint es so. Hier ist kein Platz für Eitelkeiten. Wer kommt, lässt Hemmungen und Alltag draußen – und geht mit einem Lächeln nach Hause.
5. Der Dresscode? Gibt’s nicht

Jeansjacke trifft Blümchenkleid – alles ist erlaubt. Bei „Faltenrock“ kleidet sich jeder so, wie er sich fühlt. Jürgen und Rainer etwa kommen wie in Jugendtagen – und fühlen sich auch so. Für sie ist Tanzen mehr als Bewegung: Es ist Ausdruck. Emotion. Erinnerung. Wenn sie ihre Lieblingslieder der 70er hören, tauchen sie für einen Moment zurück in vergangene Jahrzehnte.
Und auch die Gespräche auf der Tanzfläche drehen sich oft um Musik, Erlebnisse und alte Lieblingsbands. Statt Small Talk wird hier gelacht, gesungen und gefühlt. Diese Disko ist bunt – in jeder Hinsicht.
6. Freundschaften auf der Tanzfläche

Für Silvia wurde der „Faltenrock“ mehr als nur ein neues Hobby. Hier lernte sie Monika kennen – und die beiden treffen sich seitdem regelmäßig. Was mit einem Lied begann, wurde zu einer Freundschaft. Auch das ist ein Aspekt der Veranstaltung: Einsamkeit hat keinen Platz, wenn man miteinander tanzt. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich in meinem Alter noch so offen neue Leute kennenlerne“, erzählt Monika.
Die Gespräche nach dem Tanzen sind oft genauso wichtig wie das Tanzen selbst. Die Tanzfläche ist ein Treffpunkt – für neue Verbindungen und alte Bekanntschaften, ganz ohne Datingdruck.
7. Der Soundtrack des Lebens

Rock’n’Roll, 70er-Hits und tanzbare Klassiker: Der Musikmix ist so vielfältig wie das Publikum. Während einige sich bei den Stones zuhause fühlen, lieben andere Abba oder sogar aktuelle Popsongs. Die Playlist ist auf die Tanzfreude der Gäste abgestimmt – nicht auf ihr Geburtsjahr. Norbert (85) und seine Frau können nicht genug bekommen: Sie tanzen sogar zu Hause weiter.
Für sie ist der Sonntagabend zu zweit auf der Tanzfläche fester Bestandteil ihres Lebens. Manchmal singen sie die Texte mit, manchmal lachen sie einfach nur. Und egal, welches Lied läuft: Die Bewegung kommt von ganz allein.
8. Gute Stimmung statt gute Nacht

Während anderswo am Sonntagabend schon das Licht gedimmt wird, wird in der Fabrique noch einmal aufgedreht – zumindest bis 21 Uhr. Denn dann zieht es viele nach Hause: „Tagesschau“ und „Tatort“ warten. Der frühe Veranstaltungsbeginn ist genau richtig für alle, die gern aktiv sind, aber nicht mehr die ganze Nacht durchfeiern möchten.
Trotzdem ist die Energie auf der Tanzfläche hoch, und wer einmal dabei war, kommt oft wieder. „Man fühlt sich danach einfach besser“, sagt Norbert. Der Rest der Woche ist dann oft leichter, fröhlicher, bewegter – dank ein paar Stunden Tanz am Sonntagabend.
9. Tanzen als Protest gegen das Altern

Die Veranstaltung „Faltenrock“ ist mehr als ein Tanzabend – sie ist ein Statement. Gegen das Bild vom Altern als Rückzug, gegen das Klischee von Senioren im Fernsehsessel. Hier wird das Leben gefeiert – mit jedem Schritt, jeder Drehung und jeder Melodie.
Die Teilnehmer zeigen: Wer tanzt, bleibt nicht nur körperlich fit, sondern auch offen, aktiv und neugierig. Das Alter ist kein Hindernis, sondern nur eine Zahl. Und wenn es nach den Gästen geht, sollte es in jeder Stadt so eine Tanzfläche geben. Denn für ein bisschen Disco – ist man niemals zu alt.