
Was auf Speisekarten weltweit steht, ist nicht immer so harmlos, wie es klingt. Das Wort „Curry“ steht seit Kurzem im Zentrum einer hitzigen Debatte rund um kulturelle Aneignung, Kolonialismus und Essensidentität.
Eine Food-Bloggerin aus den USA hat den Anstoß gegeben – mit dem Wunsch, die Vielfalt südasiatischer Küche sichtbarer zu machen. Dahinter steckt mehr als ein Streit ums Vokabular: Es geht um Geschichte, Macht und die Frage, wie wir über Essen sprechen.
1. Ein Wort, viele Bedeutungen – oder gar keine?

„Curry“ wird in westlichen Ländern häufig als Sammelbegriff für südasiatische Gerichte mit Soße oder Gewürzmischungen genutzt. Doch tatsächlich ist das Wort in indischen Sprachen nicht beheimatet.
Es wurde von britischen Kolonialherren geprägt, die sich die Mühe ersparten, die regionale Vielfalt Indiens kulinarisch zu unterscheiden. Laut Historikern wie Ilyse Morgenstein Furest steht das Wort sinnbildlich für einen kolonial geprägten Blick, der Komplexität auf einfache Schlagworte reduziert.
2. Curry als koloniales Relikt?

Historisch betrachtet entstand der Begriff „Curry“ im Kontext der britischen Kolonialherrschaft über Indien. Britische Beamte nutzten den Ausdruck, um die kulinarische Vielfalt Indiens für sich greifbar zu machen – nicht selten mit einem exotisierenden Unterton.
Diese Vereinfachung habe bis heute Auswirkungen, so Kritikerinnen wie Furest: Das Label „Curry“ transportiere immer noch die Idee vom wild-würzigen, chaotischen Osten – ein stereotypes Erbe, das sich in Sprache und Esskultur verankert hat.
3. Eine Bloggerin bringt die Debatte ins Rollen

Die 27-jährige Chaheti Bansal, selbst südasiatischer Herkunft, nutzt ihre Social-Media-Reichweite, um Bewusstsein für die Problematik zu schaffen. Ihr zentraler Punkt: Durch die pauschale Nutzung des Begriffs „Curry“ verschwinden regionale Spezialitäten, Namen und Esskulturen aus dem öffentlichen Bewusstsein.
Ihre Botschaft: Südasiatisches Essen ist keine einheitliche Masse, sondern ein Mosaik aus Rezepten, Dialekten und Gewürzen, das respektvoll benannt und behandelt werden sollte.
4. Kein Abschaffen, aber Umdenken

Wichtig ist: Niemand fordert, das Wort „Curry“ komplett abzuschaffen. Vielmehr geht es darum, bewusster mit Sprache umzugehen und die ursprünglichen Namen der Gerichte in den Vordergrund zu stellen.
Anstelle von „Chicken Curry“ könnte es etwa „Murgh Makhani“ oder „Korma“ heißen – je nachdem, um was es sich handelt. So würden Traditionen gewahrt und respektiert, und gleichzeitig könnte ein differenzierteres Bild südasiatischer Küchen entstehen.
5. Mehr als nur ein Food-Trend

Die Debatte zeigt, dass Essen längst nicht mehr nur privat ist. Es spiegelt Machtverhältnisse, historische Wunden und kulturelle Entwicklungen wider. Wer „Curry“ sagt, meint oft etwas ganz anderes – und macht sich damit unbewusst zum Teil eines jahrhundertealten Problems.
Die Kritik daran ist kein Angriff, sondern ein Appell zur Reflexion: Wie reden wir über fremde Kulturen? Und wie schnell machen wir aus Vielfalt eine Vereinfachung?
6. Eine Chance zur Anerkennung

Für viele südasiatische Menschen ist die Diskussion eine Möglichkeit, endlich gehört und korrekt repräsentiert zu werden. Chaheti Bansal und andere Stimmen rufen nicht zur Empörung auf, sondern zu einer neuen Form von kulinarischem Respekt.
Wer den Namen eines Gerichts kennt und verwendet, zeigt Interesse – und erkennt an, dass hinter dem Essen Geschichte, Menschen und Identität stehen. Die Debatte um „Curry“ ist deshalb weniger Streit als vielmehr Einladung: Mehr wissen, besser benennen – und bewusster genießen.4o