Kein Platz für Vielfalt? Ryanair passt Anredeoption an

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In vielen digitalen Formularen werden Nutzer*innen vor die Wahl gestellt: „Herr“ oder „Frau“? Was jahrzehntelang als Standard galt, wird heute immer häufiger hinterfragt. Denn unsere Gesellschaft ist vielfältiger, als viele Systeme bislang abbilden. Menschen, die sich nicht-binär oder genderdivers identifizieren, stoßen dabei regelmäßig auf Barrieren – im Alltag, aber auch bei der Nutzung von Dienstleistungen.

Die Frage nach geschlechtsneutralen Anredeoptionen ist längst keine Randnotiz mehr, sondern ein Aspekt von Gleichberechtigung und digitaler Teilhabe. Unternehmen, Behörden und Plattformen müssen sich zunehmend mit der Realität einer diversen Gesellschaft auseinandersetzen. Ein aktueller Fall hat diese Diskussion erneut in die Öffentlichkeit getragen. Was genau dahintersteckt, zeigt ein Blick auf ein besonderes Verfahren.

1. Zwischen Alltag und Ausgrenzung: Die Wirkung von Sprache

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Sprache ist nicht nur ein Kommunikationsmittel, sondern auch ein Spiegel gesellschaftlicher Werte. Anreden wie „Herr“ und „Frau“ mögen selbstverständlich erscheinen, doch sie schließen viele Menschen aus, die sich außerhalb binärer Geschlechtskategorien verorten. Für nicht-binäre Personen kann eine unpassende Ansprache verletzend oder entwürdigend wirken.

Es geht nicht um Höflichkeit allein, sondern um Anerkennung und Respekt. Gerade im digitalen Raum, in dem Interaktionen oft automatisiert ablaufen, prägen Formulare, Buchungssysteme und Kundenportale den Alltag. Wenn Vielfalt in diesen Prozessen unsichtbar bleibt, ist die Botschaft klar: Du bist nicht vorgesehen. Warum gerade dieser Aspekt so oft übersehen wird, zeigt der nächste Abschnitt.

2. Digitale Formulare – analoges Denken?

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Viele digitale Systeme basieren auf Strukturen, die lange vor der heutigen Gender-Diskussion entstanden sind. Standardisierte Felder wie „Anrede“ oder „Geschlecht“ werden oft ohne Hinterfragen übernommen. Die Folge: Wer sich nicht eindeutig männlich oder weiblich verortet, wird gezwungen, sich einer Kategorie zu unterwerfen – oder bleibt außen vor.

Diese Vernachlässigung ist meist nicht böse gemeint, aber sie wirkt diskriminierend. Besonders große Plattformen und Dienstleister tragen hier eine besondere Verantwortung. Wer digitale Angebote für alle Menschen zugänglich machen will, muss auch Vielfalt abbilden. Dass es auch anders geht, zeigt ein Fall aus der Luftfahrtbranche, der für Aufmerksamkeit gesorgt hat.

3. Klage gegen Ryanair: Ein Zeichen gegen digitale Unsichtbarkeit

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Ein Mensch, der sich keinem eindeutigen Geschlecht zuordnet, verklagte die Fluggesellschaft Ryanair, weil auf der Buchungsplattform nur zwischen „Herr“, „Frau“ und „Fräulein“ gewählt werden konnte. Eine geschlechtsneutrale Anrede fehlte. Die Klage berief sich auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und forderte ein Schmerzensgeld – denn die fehlende Option stelle eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte dar.

Die Diskussion betraf nicht nur das Formular, sondern auch die grundsätzliche Frage: Wer wird mitgedacht – und wer nicht? Der Fall sorgte für bundesweites Interesse, denn er zeigt, wie viel Macht selbst kleine Auswahlfelder über gesellschaftliche Teilhabe haben können. Doch wie reagierte Ryanair auf diese Kritik?

4. Einigung hinter verschlossenen Türen – und eine neue Option

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Das Berliner Landgericht teilte mit, dass der Streit zwischen der klagenden Person und Ryanair außergerichtlich beigelegt wurde. Zwar wurden keine Details veröffentlicht, doch parallel wurde bekannt: Ryanair hat reagiert und seine Buchungsseite angepasst. Inzwischen ist dort eine geschlechtsneutrale Anredeoption verfügbar. Damit sendet das Unternehmen ein klares Zeichen:

Anerkennung und Inklusion sind umsetzbar – und zwar ohne großen Aufwand. Der Kläger selbst betonte, dass die technische Änderung schnell und machbar gewesen sei. Die Einigung zeigt: Es braucht manchmal den Druck von außen, damit Bewegung entsteht. Doch ist dieser Schritt bereits genug? Was bedeutet das für andere Unternehmen?

5. Symbolwirkung für andere Anbieter

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Der Fall Ryanair hat eine Signalwirkung: Wenn ein internationales Unternehmen seine Systeme anpasst, können das auch andere. Genau das fordert der LSVD (Lesben- und Schwulenverband in Deutschland): Mehr Mut zur Inklusion. Die Buchungssysteme von Airlines, Hotels oder Versanddiensten sind oft veraltet – doch gerade im digitalen Raum sollte Vielfalt abbildbar sein.

Die geschlechtsneutrale Anrede ist dabei nur ein Symbol für eine größere Bewegung. Wer digital sichtbar sein will, muss alle Menschen mitdenken. Es geht um mehr als Technik – es geht um Haltung. Wie reagieren andere Unternehmen nun auf diesen Präzedenzfall? Der gesellschaftliche Druck wächst.

6. Rechtlicher Rahmen und gesellschaftliche Realität

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Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist ein zentrales Instrument gegen Diskriminierung – auch in der digitalen Kommunikation. Es schützt Menschen vor Benachteiligung aufgrund von Geschlecht, Identität oder Herkunft. Immer öfter wird es nun auf digitale Formulare, Websites und Algorithmen angewendet. Der Fall Ryanair zeigt: Persönlichkeitsrechte enden nicht bei der Programmierlogik.

Auch wenn das AGG oft als „zahnlos“ kritisiert wird, kann es in konkreten Fällen Veränderung bewirken. Für Unternehmen bedeutet das: Es reicht nicht mehr, niemanden aktiv zu diskriminieren – sie müssen aktiv inklusiv handeln. Welche Rolle spielt dabei der öffentliche Druck? Ein Blick auf die Dynamik der Debatte lohnt sich.

7. Kleine Felder, große Wirkung: Warum Sichtbarkeit zählt

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Die Einführung einer geschlechtsneutralen Anredeoption mag technisch gesehen klein wirken – doch gesellschaftlich ist sie ein großer Schritt. Wer in Formularen nicht vorkommt, wird übersehen. Wer übersehen wird, fühlt sich nicht anerkannt. Sichtbarkeit ist ein zentraler Teil von Würde und Teilhabe.

Der Fall Ryanair zeigt, dass selbst Konzerne mit starren Strukturen umdenken können, wenn die richtigen Impulse gesetzt werden. Damit wird die Diskussion über geschlechtliche Vielfalt konkret – greifbar und veränderbar. Und sie endet nicht beim Dropdown-Menü. Die Frage ist nun: Werden andere diesem Beispiel folgen? Oder bleibt Inklusion weiterhin ein Kampf um jede Zeile Code?





Interessant: Wussten Sie, dass der Mond einst Teil der Erde war?

Die gängigste Theorie besagt, dass der Mond vor etwa 4,5 Milliarden Jahren entstand, als ein marsgroßer Körper mit der jungen Erde kollidierte. Die Trümmer dieser Kollision sammelten sich und bildeten den Mond. Diese Theorie wird durch die Zusammensetzung des Mondgesteins gestützt, das dem der Erde sehr ähnlich ist. Dieses Ereignis war ein entscheidender Moment in der Geschichte des Sonnensystems.