33 Jahre später, 19 Bilder aus Tschernobyl

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Im Jahre 1986 hält die ganze Welt den Atem an. Genauer gesagt am 26.4.1986, denn um 1:23 Uhr ereignete sich das bis dahin Unvorstellbare, eine Explosion in einem sowjetischen Kernkraftwerk zerstörte einen Reaktor, den Reaktor mit der Nummer 4 und ließ lebensgefährliche, radioaktive Strahlung entweichen. Trümmer und mit Ihnen radioaktiv verseuchtes Material wird nach außen geschleudert, über weiten Teilen Europas braut sich eine nukleare Wolke, die den gefürchteten „sauren Regen“ mit sich bringt, aus.

Noch heute streiten Forscher über die wahre Anzahl der Todesopfer dieser Tragödie, der weltweit größten Katastrophe in der zivilen Atomgeschichte. Waren es 60.000 oder doch über eine Million?

Was hat dort stattgefunden nachdem das Unaussprechliche geschehen ist? Bis heute ist jedenfalls die gesamte Region rund um das Kraftwerk Sperrgebiet.

1. Wie alles begann…

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Schauplatz: Wladimir-Iljitsch-Lenin-Kernkraftwerk Tschernobyl. Der Reaktor mit der Nummer „4“ verfügte wohl über ein veraltetes Sicherheitssystem und besaß im Vergleich zu den anderen nur wenige automatisierte Prozesse. In der verheerenden Nacht des 26. Aprils wurde ein Test durchgeführt, die Simulation eines Störfalls, zwei Jahre nach der Inbetriebnahme.

Es wurden in der Vergangenheit bereits mehrere solcher Tests durchgeführt, insgesamt drei seit dem Jahr 1982, aber keiner führte zum gewünschten Ergebnis, was letztendlich diesen vierten Test auf den Plan rief.

Nachdem unterschiedliche Abteilungen ohne sich untereinander abzustimmen, unabhängig voneinander Fehlentscheidungen getroffen hatten, wurde die Energieproduktion auf das absolute Minimum heruntergefahren und direkt im Anschluss abrupt wieder gesteigert. Die Zufuhr des Wassers, das für die Kühlung des Reaktorkerns zuständig war, wurde unterbrochen, was zu einer unmittelbaren Überhitzung des Treibstoffs führte. Dadurch kam es zur völligen Zerstörung des Reaktors durch zwei Explosionen.

2. Rote und blaue Flammen

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Zum Zeitpunkt der ersten Explosion, welche die 1,2 Tonnen schwere Abdeckung des Reaktors wegsprengte und ein riesiges Loch ins Dach riss, waren die Sicherheitssysteme abgeschaltet.

Kurz darauf erfolgte eine weitere Explosion, im Bericht der Unfallermittler wurde vermerkt, dass die Kraft der Explosion ( Druckwelle ) vergleichbar mit dem Detonieren einer Menge von 300 Tonnen TNT-Sprengstoff gewesen ist. Das Licht im Werk fiel aus, alle Scheiben zerbarsten und wie bei einem starken Erdbeben stürzten Deckenteile herab und massive Wände klappten einfach um, wie bei einem instabilen Kartenhaus.

Augenzeugen berichteten später von der Beobachtung einer roten Flamme nach dem die erste Explosion stattgefunden hatte, nach der zweiten sollen die Flammen blau gewesen sein.

3. Prypjat, 1986

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Prypjat, zur damaligen Zeit „Atom-Stadt“ genannt, ist mit einer Entfernung mit nur 2 km die Siedlung mit unmittelbarer Nähe zum Reaktor. Den Namen bekam sie vom gleichnamigen Fluss, der durch diese Gegend fließt.

Zum Zeitpunkt der Katastrophe ist die heutige Geisterstadt so etwas wie eine aufstrebende Stadt, einzig mit dem Ziel gebaut, die Arbeiter des riesigen Kraftwerks Tschernobyl nach anstrengenden Endlos-Schichten bei Laune zu halten.

Die Nähe zu Städten wie Moskau und Kiew sowie die Erreichbarkeit der Schwarzmeerküste binnen eines Tages Autofahrt machen Prypjat zusätzlich zu einem attraktiven Wohnort. Für die rund 50.000 Einwohner der Stadt stehen Theater, Kinos und Bibliotheken zur Verfügung. Die Bevölkerung erhielt ein Gehalt, doppelt so hoch wie der durchschnittliche Lohn in der Sowjetunion, das Durchschnittsalter der Bürger betrug nur 25 Jahre.

4. Evakuierung

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Achtung, Achtung Bewohner der Stadt Prypjat, dröhnte es durch die Megaphone in den Straßen der Atom-Stadt. Was die Bürger zu dem Zeitpunkt nicht wissen, bei der Explosion wurden 30 % der 190 Tonnen Uran freigesetzt.

Der Stadtrat lässt nur eine Information durchsickern, und zwar, das sich in der Umgebung die Lebensumstände aufgrund von Radioaktivität verschlechtert haben. Es werden Schritte eingeleitet, die die kommunistische Partei und deren Soldaten zu diesem Zeitpunkt wohl für ausreichend gehalten haben.

Erst 36 Stunden nach dem GAU begann man damit, die insgesamt 49.000 Bewohner zu evakuieren. Ab 14 Uhr stand für jeden Wohnblock ein Bus bereit, Polizisten und Beamte der Stadt überwachen das Prozedere. Ab dem 2. Mai begann man erst damit, Einwohner der 20 Kilometer entfernten Stadt Tschernobyl zu evakuieren.

5. 27. April, der Tag danach

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Am 27. April, dem Tag 1 nach der Kernschmelze wurden schließlich auch die drei anderen Blocks abgeschaltet. Aus einem Großaufgebot von 80 Hubschraubern werden Substanzen, unter anderem Sand, Blei, Lehm und Dolomit, aus der Luft direkt in den Reaktor geworfen, in der Hoffnung, den Brand endlich unter Kontrolle zu bekommen.

Aber die Aneinanderreihung ungünstiger Ereignisse nimmt weiter seinen zerstörerischen Lauf, als das Gegenteil der erwarteten Reaktion eintritt. Der erneute Temperaturanstieg ist so heftig, das bei einer Messung in 200 m Höhe ein Wert von 180 Grad Celsius dokumentiert wird.

Eine Messung des Becquerelwerts (Messeinheit radioaktiver Strahlung) ist zu diesem Zeitpunkt, aufgrund des extrem hohen Werts, bereits nicht mehr möglich.

6. Die Liquidatoren

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Liquidator, ein Begriff der uns heutzutage aus der Wirtschaft bekannt ist, er steht für „eine zur Auflösung des Unternehmens bestellte Person“, jemanden der etwas liquidiert, etwas auflöst.

Nach der Katastrophe von Tschernobyl schickte die sowjetische Regierung tausende Männer, Soldaten und Zivilisten, als Helfer, um die Katastrophe einzudämmen und diverse Aufräumarbeiten auf dem betroffenen Gelände durchzuführen. Sie sollten die radioaktive Strahlung liquidieren, indem sie, auf dem Dach des Reaktorblocks Nummer 3 stehend, stark verstrahlten Schutt entfernen mussten der durch die Explosion dorthin gelangt war.

Zuerst hatte die Regierung versucht, diese Arbeit durch japanische und deutsche Roboter zu erledigen, die allerdings aufgrund der hohen Strahlungswerte ihren Dienst nach kürzester Zeit kläglich versagten. Die Männer, die diese schreckliche Aufgabe übernehmen mussten, durften nur für 40 Sekunden auf das Dach, weil sie sich nicht länger der extremen, tödlichen Strahlung aussetzen durften.

7. Schweden schlägt Alarm

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Montag, 28. April, 1986: Schweden schlägt Alarm! Im von Tschernobyl gute 1200 Kilometer weit entfernten Kernkraftwerk Forsmark in Schweden (nördlich von Stockholm) wird der automatische Alarm ausgelöst. Der Grund dafür: Bei einer Routinemessung wurde an der Kleidung der schwedischen Kernkraftwerksmitarbeiter erhöhte Radioaktivität festgestellt.

Die Leitung des Kernkraftwerks Forsmark leitet unverzüglich entsprechende Untersuchungen ein um die Ursache ausfindig zu machen, kann aber bereits nach kurzer Zeit die eigene Anlage als Verursacher ausschließen.

Der erste Verdacht, es könnte sich eine atomarer Zwischenfall ereignet haben, keimt auf. Unter Berücksichtigung der aktuellen Windrichtung konzentriert sich der Verdacht sehr schnell auf eine kerntechnische Anlage im Bereich der Sowjetunion.

8. Die Wahrheit kommt ans Licht

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28. April, 1986, 21:00 Uhr: Die Wahrheit über die Ereignisse in Tschernobyl gelangen nach und nach ans Licht. Nachdem die Regierung der Sowjetunion sich fataler Weise zuerst für das Verhängen einer Nachrichtensperre entschieden hat, wird diese zum Wohle der Menschheit aufgehoben.

Die staatliche Nachrichtenagentur mit dem Namen TASS (eine der größten russischen Nachrichtenagenturen mit Hauptsitz in Moskau) veröffentlicht die Information über einen „Unfall“ im Kernkraftwerk Tschernobyl.

Um 21:30 Ortszeit wurde die Meldung in der Nachrichtensendung „Wremja“ vorgelesen mit der Information für die Bevölkerung, man habe bereits die notwendigen Maßnahmen, zur Beseitigung der Havariefolgen ergriffen. Im Anschluss an diese Verkündung schickt die Deutsche PresseAgentur eine Eilmeldung an die Bundesrepublik. Bereits wenige Stunden später, erreicht die radioaktive Wolke am 29. April Deutschland.

9. Der Sarkophag

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Unter der Leitung des KurtschatowInstituts für Atomenergie (physikalisch – technisches Institut in Russland) errichtete die Regierung eine aus Stahlbeton bestehende, provisorische Verkleidung des Reaktors um die Strahlung weiter einzudämmen.

Unter Zuhilfenahme von riesigen Kränen und Hubschraubern wurde begonnen, den havarierten Reaktor zu verkleiden. Die Gerätschaften versuchte man, durch Blei– und Stahlplatten bestmöglich vor der Strahlung zu schützen.

Die Stahlkonstruktion sollte verhindern, dass weiterhin verstrahlte Partikel und radioaktiver Staub nach außen dringen, die die Gegend weiter kontaminieren. Das Bauvorhaben mit dem Ziel, die Welt vor weiteren 200 Tonnen radioaktiv verseuchten Substanzen zu schützen wurde nach 200 Arbeitstagen, am 30.11.1986, abgeschlossen. Weil die Fassade mit der Zeit rissig und brüchig wurde, hat die Regierung über dem alten „Sarkophag“ eine neue Schutzhülle errichten lassen mit dem Namen „New Safe Confinement (NSC).

10. Von Tschernobyl nach Deutschland

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Nachdem die Information über die Geschehnisse in Tschernobyl die Bundesrepublik Deutschland erreicht haben, rechnet auf offizieller Seite trotzdem niemand damit, wie weit sie die radioaktive Wolke tatsächlich ausbreiten und welches Unheil sie mit sich bringen würde.

Friedrich Zimmermann, zum damaligen Zeitpunkt Bundesinnenminister, lässt am 29. April in einem Interview mit der Tagesschau verlauten, dass eine Gefährdung absolut auszuschließen sei. Herr Zimmermann war für Sachverhalte rund um das Thema „Umwelt“ Ansprechpartner, der Regierung und der Annahme, eine Gefahr für Leib und Leben würde ausschließlich in einem Radius von rund 60 km, ausgehend vom Reaktor bestehen.

Diese Fehleinschätzung wurde noch von vielen weiteren Personen und Institutionen geteilt, beispielsweise schrieb die Stuttgarter Zeitung im Mai des Jahres 1986, das die badenwürttembergische Landesregierung verkünden ließe, es besteht keine Gefahr im 2000 Kilometer weit entfernten Deutschland. Zu diesem Zeitpunkt schwebte die radioaktive Wolke längst unsichtbar und unheilschwanger über den Köpfen der Deutschen.

11. Warnungen an jeder Ecke

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Niemand war auf ein Szenario, wie das von Tschernobyl auch nur ansatzweise vorbereitet. Die Zeit war geprägt, von absoluter Hilflosigkeit von Behörden und Regierung und maximaler Verunsicherung seitens der Bevölkerung.

Im Jahr 1986 existierten schlichtweg keine Tabellen in denen Grenzwerte, zB. für Lebensmittel erfasst waren. Der Informationsaustausch war unstrukturiert und voller Lücken. Erste Empfehlungen galten dem Meiden von Milch und Blattgemüse der heimischen Bauern.

Während diese Warnung in Bayern ausgesprochen wurde, relativierte bereits das Sozialministerium Baden-Württemberg, indem es gegenüber den Stuttgarter Hausfrauen lapidar die Empfehlung aussprach, den Salat „etwas gründlicher“ als sonst zu waschen. Kurz keimt die Angst vor Atomflüchtlingen auf, versickert aber so schnell wieder wie sie aufgekommen ist.

12. Plötzlich ist alles anders

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Der „Boden“ wird zum Staatsfeind Nr. 1 erklärt, Hautkontakt soll streng vermieden werden. Angefangen bei den Kindern im Sandkasten bis zu den gewerblich betriebenen Feldern der Landwirte.

Mancherorts werden Spielplätze zur „No-Go-Area“ erklärt, in Hessen schließen zeitweise sogar Sportplätze ihre Pforten. Es gibt Empfehlungen, bei Regen in keinem Fall das Haus zu verlassen, keine Frischmilchprodukte zu konsumieren und im heimischen Garten einige Zentimeter der Erdschicht vollständig abzutragen. Plötzlich ist einfach alles anders, der Alltag ist geprägt von neuen Regeln die sich unter anderem von einem auf den anderen Tag signifikant ändern können.

Erst rät die Regierung den Bauern, das bereits gewachsene Blattgemüse einfach durch Unterpflügen auf dem eigenen Acker zu vernichten, später heißt es dann, dass genau durch diese Handlung Cäsium 137 in den Boden gelangt ist und von dort aus die neu wachsenden Pflanzen und automatisch die damit gefütterten Lebewesen kontaminieren würde.

13. Jod

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Nachdem die radioaktive Wolke Deutschland erreicht hatte, fand ein mit nichts vergleichbarer Ansturm auf die deutschen Apotheken und deren Vorräte an JodTabletten statt.

Bei nuklearen Unfällen, wie dem in Tschernobyl vorgefallenen kann radioaktives Jod freigesetzt werden. Damit sich dieses nicht in der Schilddrüse anreichern kann, sollte mithilfe der hoch dosierten Einnahme von nicht-radioaktivem Jod zum richtigen Zeitpunkt eine sogenannte „JodBlockade“ errichtet werden. Diese Maßnahme schützt allerdings wirklich nur vor der Aufnahme von radioaktivem Jod und nicht vor weiteren Substanzen.

Radioaktives Jod kann sowohl durch Nahrungsmittel im Körper aufgenommen, als auch mit der Luft eingeatmet werden. Es begünstigt und forciert die Entstehung und das Wachstum von Schilddrüsenkrebs und verbreitete nach der Katastrophe von Tschernobyl flächendeckend große Angst in Deutschland.

14. Radioaktiver Niederschlag

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Radioaktiver Niederschlag (im englischen Fallout genannt) entsteht beispielsweise bei schweren Kernreaktorunfällen wie dem von Tschernobyl. Durch eine Explosion gelangt feiner radioaktiver Staub in die Atmosphäre, wird in einer Wolke gebunden und regnet irgendwann auf die Erde herab.

Dieser Niederschlag trägt die radioaktiv belasteten Staubpartikel in sich und kann je nach Kontaminationsgrad zu einer messbaren, erheblichen Strahlenbelastung des Erdbodens führen.

Bis heute ist der Fallout der über Mitteleuropa niederging messbar. Bei sehr hohen Dosen führt der radioaktive Niederschlag zur meist tödlichen Strahlenkrankheit oder längerfristig, auch bei kleineren Dosen zu Leukämie und Krebs.

15. Geisterstadt

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Wahrscheinlich gibt es keinen einzigen Ort auf der Welt, der so sehr „Symbol“ für eine Katastrophe unerwarteten Ausmaßes steht wie Tschernobyl. Der Name dieser Stadt verkörpert Angst und Schrecken, der Reaktorunfall von Tschernobyl hat den Menschen in seine Schranken gewiesen und gezeigt, zu was menschliches Versagen führen kann.

Eine Ewigkeit war das gesamte Gebiet um den Reaktor „Sperrgebiet“ und es war bei Bestrafung und Lebensgefahr verboten, es zu betreten. Nachdem das Sperrgebiet aufgehoben wurde und zuerst Dokumentarfilmer und Fotografen das gespenstische, verlassene Gebiet erkunden durften, wurden die Tore auch für Touristen geöffnet.

In der Stadt Prypjat stehen das bekannte verlassene Autoscooter und das Riesenrad, sie zeugen von einer „Normalität„, die es danach für die ehemaligen Bewohner niemals mehr gegeben hat. In der Geisterstadt ist es, als wäre einfach die Zeit stehen geblieben.

16. Gesundheitliche Folgen des Super-GAU

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Es ist nach wie vor stark umstritten, wie viele Menschen tatsächlich den Tod durch die Katastrophe in Tschernobyl gefunden haben. Die einzige tödliche Krankheit deren Entstehung zu 100% mit dem Reaktorunfall in Zusammenhang gebracht werden kann ist der durch Jod-131 verursachte Schilddrüsenkrebs.

Fünf Jahre nach dem SuperGAU wurden beispielsweise in einem 120 km Luftlinie vom defekten Reaktor entfernten Ort namens Gomel so viele Fälle von Schilddrüsenkrebs dokumentiert wie niemals zuvor. Vor „Tschernobyl“ gab es auf 100.000 Einwohner 1,8 Fälle von dieser Krebsart, fünf Jahre später bereits fast 13 pro 100.000 Einwohner.

Das Schlimmste daran: Zum Großteil waren Kinder betroffen. Im Verdacht steht der Konsum von mit Jod-131 verunreinigter Milch. Die Substanz verteilt sich mit der Luft rasend schnell, kann eingeatmet werden, oder sich im Boden ablagern.

17. Katastrophen-Tourismus

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Seltsam, wenn jemand auf die Frage: „Und, wohin geht es in deinem Urlaub dieses Jahr?“antwortet: „Nach Tschernobyl„. Die wenigsten Menschen haben für ein derart morbides Reiseziel Verständnis.

Viele Eindrücke muten an, wie in einem Horrorfilm, evakuierte, verlassene Schulen mit zerfledderten Heften, eine dreckige, traurig aussehende Puppe in einem überstürzt verlassenen Kinderzimmer. Was viele Touristen sehr fasziniert ist, dass die Natur sich ihren Lebensraum nach und nach vollständig zurückerobert.

Bevor man das einstige Sperrgebiet betreten darf kontrollieren Soldaten die Touristen. Überall stehen Schilder, die vor erhöhter Strahlung warnen und betonen, dass ein Betreten auf eigene Gefahr erfolgt. Die Erinnerung an die Katastrophe bleibt durch den umstrittenen Katastrophen-Tourismus am Leben, hoffentlich als Mahnmal für die Menschheit so verantwortungsvoll mit Kernkraft umzugehen wie es nur möglich ist.

18. Besichtigung des Horror-Reaktors

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Irgendwann heißt es für die Katastrophen-Touristen aus dem Mikrofon des seltsamsten Reiseführers der Welt: Nächste Station, Katastrophenreaktor! Und da steht er dann, unerwartet riesig, bedrohlich trotz der Ummantelung, die vor einem Großteil der Strahlung schützen soll.

Die Strahlung beträgt trotz des Sarkophags noch das etwa 20-fache der Strahlung in deutschen Großstädten, eine messbare Strahlendosis von drei Mikrosievert (Messeinheit die aussagt, wie schädlich eine Strahlung für einen Organismus ist), die Stunde.

Laut einem Flyer, der den Katastrophen-Touristen vom ukrainischen Reiseveranstalter ausgehändigt wird, ist die Strahlung allerdings immer noch geringer als bei einem klassischen Transatlantikflug. Auf Wunsch bekommen die Reisenden Geigerzähler (Geiger-Müller-Zählrohr) ausgehändigt und können die Strahlung eigenständig messen. Ob das unterhaltsam oder beängstigend ist, muss wohl jeder für sich selbst entscheiden.

19. Die Reiseroute

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Die diversen Reiseveranstalter die versuchen aus dem einstigen Unglück Profit zu schlagen, werben alle mit einer recht einheitlichen Reiseroute. Auf dieser stehen unter anderem: Lager der 25. Brigade des Strahlungs-Schutzes, Ankunft am Eingang der 30 km Sperrzone am Kontrollpunkt Ditjatki, Zufahrtsstraße zum Atomkraftwerk, Besichtigung des verlassenen Dorfes Salesje, das zerstörte, radioaktive Dorf Kopatschi mit Tour durch die noch erhaltenen Gebäude.

Am interessantesten ist für viele der Besuch von Prypjat, dort wird der ehemalige Vergnügungspark ausführlich besichtigt, das städtische Stadion, das Hallenbad und das Polizeigebäude. Im Anschluss noch die eingestürzte Schule in der sich beeindruckende Fotos schießen lassen, sowie das Kino mit dem Namen „Prometheus“ und die überschwemmte Anlagestelle am Hafen.

Wenn man die Rezensionen von „TschernobylUrlaubern“ liest sind diese durchweg positiv. Allerdings muten diese trotzdem befremdlich an, wenn man bedenkt, welches Ereignis dem Touristengebiet zugrunde liegt.